Theaterbesuch „Woyzeck“ – Ein Drama und Gesellschaftskritik neu gedacht!
Deutsch Q1 LK
Anlässlich unserer Unterrichtseinheit über das Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner gingen wir, der Deutsch Leistungskurs von Frau Schmidt, ins „Freie Forum Theater“ in Düsseldorf, um uns das gleichnamige Stück anzuschauen. Auch die anderen Deutschkurse der Q1 besuchten das Theater. Sowohl das Drama als auch Bühneninszenierungen sind abiturrelevant. Zuvor haben wir Beobachtungsaufträge festgelegt, um die Inszenierung anschließend bewerten zu können. Wir trafen uns gegen 10 Uhr, sprachen noch einmal über unsere Beobachtungsaufträge wie zum Beispiel die Sprache, Kulisse oder das Bühnenbild.
Wir warteten gemeinsam mit vielen anderen Oberstufenschülerinnen und -schülern von allen möglichen Düsseldorfer Schulen gespannt auf das Stück und freuten uns, als es schließlich begann. Unser Kurs erwartete ein altmodisches und unzeitgemäßes Stück, wurde jedoch schnell eines Besseren belehrt.
Schon als wir den Saal betraten, wunderten wir uns: Das Bühnenbild bestand aus einer Küche mit Sofa und einem Bücherregal voller Bücher über Feminismus. Auch Frau Schmidt war sich kurzzeitig unsicher, ob wir überhaupt in das richtige Stück gegangen sind. Das Stück startete und sorgte bei den meisten von uns zunächst für Verwirrung: Eine Frau begann leise auf Englisch zu singen und Gitarrenmusik zu spielen, woraufhin ein Mann und eine weitere Frau sich küssten. Es stellte sich schnell heraus, dass es Woyzeck und Marie, der Hauptdarsteller und seine Freundin, waren. Die andere Frau, die Gitarre spielte, stellte Margreth, Maries Nachbarin und in diesem Fall Freundin und WG-Mitbewohnerin, die im eigentlichen Drama von Georg Büchner kaum vorkommt, dar.
Die Beobachtungsschwerpunkte zu beantworten, stellte uns vor eine Herausforderung, da das Stück, anders als wir es vorher erwartet haben, nicht werkgetreu, sondern auf die heutige Zeit und deren Probleme und Herausforderungen wie Gewalt an Frauen, Polyamorie, Eifersucht und andere aktuelle Themen, angepasst war. Margreth beschrieb Erfahrungen von sexistischem und missbräuchlichem Verhalten gegenüber Frauen und nahm eine feministische Rolle ein. Auch Marie entsprach nicht dem ursprünglichen Charakter, sie hatte nämlich, anders als im Drama, eine Affäre mit Andres und nicht mit dem Tambourmajor, und stand auch vor Woyzeck dazu, da sie ihre Liebe nicht auf eine Person festlegen wollte. Dies eröffnete uns einen neuen Blick auf die Rolle der Marie und auch auf den Mord, den Woyzeck auch im Stück schließlich an ihr begeht.
Die Sprache war modern, teils auch auf Englisch, doch ursprüngliche Dialoge wurden trotzdem integriert, sodass Büchners Werk dennoch viel Berücksichtigung und Wertschätzung erfuhr.
Die Schuldfrage hat uns schon im Unterricht beschäftigt, aber wir haben zuvor auch immer der Gesellschaft eine Teilschuld an Woyzecks Verhalten durch die Erbsendiät und die Diskriminierung durch andere, ihm potentiell überlegene Menschen, gegeben. Das moderne Stück änderte aber unsere Sicht und wir fragten uns: Ist Woyzeck wirklich nur bedingt schuldfähig oder hat er sich vielleicht auch in die Rolle des Opfers von Marie, dem Doktor und dem Hauptmann drängen lassen?
Nach der Inszenierung durften die Besucherinnen und Besucher den drei Darstellerinnen und Darstellern noch Fragen stellen. An der Nachbesprechung beteiligten sich viele Schülerinnen und Schüler und das Stück kam bei allen gut an! Außerdem stellte sich unter anderem heraus, dass einige im Drama geschilderte Erfahrungen der Frauen in Bezug auf Gewalt- und Missbrauchserfahrungen echt waren und sie diese wirklich erlebt haben, was das Stück sofort noch authentischer machte.
Die Nachbesprechung und eigens verfasste Rezensionen im Unterricht zeigten, dass das Stück, welches das Drama sehr stark verändert darstellte, trotz anderer Erwartungen, vielen gut gefiel und die Neuinszenierung sowohl der Regisseurin als auch den Schauspielerinnen und Schauspielern unserer Meinung nach erstklassig gelungen ist, da Büchners gesellschaftskritisches Denken auf die Schlüsselprobleme der heutigen Zeit bezogen wurde.
Fanny Maas, Q1